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Die Pause für mehr Leistung
Nach der Saison ist vor der Saison: Tipps für eine optimale Erholung und die richtige Planung der nächsten Rad-Saison.
Ab Mitte Oktober wird das endgültige Ende der Straßensaison eingeläutet. Viele Radprofis und Amateurfahrer stellen ihr Rad für einige Wochen in die Garage. Man gönnt sich eine wohlverdiente Pause oder wendet sich anderen Aktivitäten zu. Profis lassen den Trainingsalltag oft für mehr als vier Wochen hinter sich. Auch viele Hobbysportler brauchen nach einer langen Trainings- oder Renn-Periode eine Pause.
Doch wie lange sollte eine solche Pause überhaupt sein? Muss man aktiv bleiben, um die Fitness-Verluste zu begrenzen? Und wie sollte der Wiedereinstieg in das Training gestaltet werden? Zu dieser Thematik existieren solide wissenschaftliche Erkenntnisse und in der Praxis erprobte Methoden, mit denen der Übergang in die Off-Season erfolgreicher wird.
Detraining
Nach dem Saisonende wird die über Monate aufrechterhaltene Trainingsdisziplin für eine Zeit lang vernachlässigt. Jedoch herrscht dabei unter nicht wenigen Athleten ein falsches „schlechtes Gewissen“ und die Angst vor einem starken Absinken des Leistungsniveaus. Zwar sinkt dieses wirklich, sobald dem Körper der regelmäßige Trainingsreiz fehlt. Dennoch sind die Sorgen über negative Folgen einer Saisonpause größtenteils unbegründet.
Die Auswirkungen von Trainingspausen auf die Fitness sind in der Sportwissenschaft eingängig untersucht worden. Die Haupterkenntnis: drei bis vier Wochen „Detraining“ führen zu einer merklichen, durchschnittlich fünf bis sechs prozentigen Reduktion der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max). Diese ist ein wichtiger Indikator für die aerobe Fitness, also die Ausdauer. Erst nach rund acht Wochen ohne regelmäßiges Training stellen sich sehr deutliche Rückgänge von 15 oder mehr Prozent ein. Das Blutvolumen geht signifikant zurück – und damit die Fähigkeit, den benötigten Sauerstoff zu den Muskeln zu transportieren. Der Vergleich von Eliteathleten mit weniger trainierten Personen ergibt, dass erstere anfangs deutlichere Rückgänge verzeichnen. Mit zunehmender Dauer der Trainingspause sind Elitesportler jedoch in der Lage, ein höheres Niveau aufrechtzuerhalten.
Pausengestaltung
Der zentrale positive Effekt einer Pause ist die Regeneration. Die Strapazen während der Saison halten den Körper in einem ständigen Ausnahmezustand. Erst durch einen längeren Zeitraum ohne größere gewohnte Reize kann sich der Körper vollständig erholen – und alle durch das intensive Training beschädigten Muskelfasern reparieren. In der Regel benötigt der Organismus für diese Prozesse rund fünf bis sieben Tage.
Dazu kommt die mentale Komponente: „Meine Athleten nutzen die trainingsfreie Zeit, um sich auch mental wieder aufzuladen und neue Ziele zu setzen“, sagt Stephen Gallagher, Ex-Radprofi und Leiter von DigDeep Coaching. „Erst nach einer Pause sind sie wieder voll motiviert und bereit für neue Herausforderungen.“
Die Länge der Pause sollte sich auch nach den Jahreskilometern und der Intensität der Saison richten. Im Profibereich findet diese in der Regel zwischen Ende Oktober und November statt: In Form einer drei- bis vierwöchigen Unterbrechung der Trainingsroutine. Für Hobbysportler können dagegen meist schon zwei Wochen ausreichen.
Alternativsportarten
Um Detraining Effekte in der Winterpause größtenteils abzuwenden, ist es empfehlenswert, andere Sportarten auszuprobieren. Laufen, Ski-Langlauf, Schwimmen sind einfache und effektive Alternativen, um in der radfreien Zeit aktiv zu bleiben. Und die Quantität? Ein Abstand von fünf Tagen zwischen den Trainingseinheiten scheint noch immer im Rahmen zu sein, um den Leistungsabbau zu minimieren. Eine aktuelle Studie, bei der die Effekte der Trainingsreduktion untersucht wurden, zeigte: Qualität schlägt Quantität. Die Athleten reduzierten ihr Trainingsvolumen und ihre -häufigkeit über einen Zeitraum von bis zu 15 Wochen um je zwei Drittel, behielten jedoch die gewohnte Intensität bei – dennoch verschlechterte sich ihre maximale Sauerstoffaufnahme nicht. Ein weiteres Ziel der Saisonpause sollte ein gezielter Muskelaufbau sein. Die Phase kann demnach dazu genutzt werden, im Kraftraum an sonst weniger geforderten Muskelgruppen zu arbeiten. Der Vorteil: Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, dass Kraft deutlich länger erhalten bleibt als Ausdauer, so dass auch Radsportler von Kraftzuwächsen noch in der Saison profitieren können. Sofern sie auch dann Krafteinheiten in ihren Trainingsplan einstreuen.
Der Wiedereinstieg
Die Fitness kehrt nach der Wiederaufnahme des Trainings üblicherweise rasch auf ein normales Level zurück. Dies gilt vor allem für gut trainierte Fahrer – denn mehrere Studien haben gezeigt: Wurde vor der Pause mindestens zwölf Wochen lang regelmäßig trainiert, wurde später das vorher gehaltene Niveau deutlich leichter wieder erreicht. Um sich auf das strukturierte Training vorzubereiten, kann der Neuaufbau mit einer Übergangsphase begonnen werden. Hier können sich zum Beispiel Laufeinheiten mit unspezifischen Ausfahrten auf dem Rad – gerne auch auf dem Mountainbike oder dem Cyclocrosser – abwechseln. Nach einer etwa zweiwöchigen Periode relativ unstrukturierten Trainings kann dann mit dem gezielten Aufbau für die neue Saison begonnen werden.
Die Periodisierung
Während der Pause sollte man zudem die Zeit haben, sich Gedanken über die nächste Saison zu machen. Was sind die Highlights? Wann will man in Topform sein? Wann hat man Urlaub oder hat Zeit für ein Trainingslager? All diese Gedanken können in die Planung einfließen. Die klassische Trainingslehre lässt all dies in das System der Periodisierung einfließen. Ein Überblick: Die Saison (der Makrozyklus) wird in mehrere kürzere Meso- und Mikrozyklen aufgeteilt, in denen jeweils an bestimmten Elementen der Fitness gearbeitet wird. Mesozyklen umfassen sechs bis acht, Mikrozyklen drei bis vier Wochen. Das erste Ziel im Hinblick auf den Formaufbau für die kommende Saison sollte lauten: Die Grundlage legen – eine solide aerobe Ausdauer und langfristige Verbesserungen der muskulären Ausdauer bis zur individuellen anaeroben Schwelle (IANS). Denn erst eine gesteigerte Ausdauerleistung bildet das Fundament für die folgende gezielte Konditionierung. In dieser könnte das Ziel dann – je nach dem eigenen Saisonziel – zum Beispiel die Verbesserung der anaeroben Leistung an kurzen Anstiegen sein. Demnach gilt: Der erste vierwöchige Vorbereitungszyklus besteht hauptsächlich aus Grundlagentraining (GA1). Mit regelmäßigen Sprints und kurzen anaeroben Spitzen werden dann nach und nach erste Reize gesetzt. Danach sollten entgegen der immer noch weit verbreiteten Ansicht, dass niedrige Intensitäten das gesamte Wintertraining bestimmten sollten, vermehrt Intervalle in das Training aufgenommen werden. Die polarisierte Kombination aus Grundlagentraining und Arbeit an anaeroben Schwelle (EB/SB) wurde als neuer Standard identifiziert. Für eine optimale Trainingssteuerung sind regelmäßige Leistungstests optimal. Durch sie kann man Leistungsverbesserungen nachvollziehen und seine Trainingszonen bestimmen. Noch wichtiger – und deutlich weniger aufwändig – ist es, in sich hinein zu hören. Und die Signale des eigenen Körpers zu verstehen. //
Der Detrainingseffekt
- VO2max - 5-8 %
- Blutvolumen - 5-10 %
- Maximales Herzvolumen - 8 %
- Fettnutzung im Grundausdauerbereich - 5 %
- Glykogen Speicherrate im Muskel - 20 %
- Aktivität Oxidativer Enzyme - 23 %
- Blutlaktatkonzentration + 5 %
- Typ-1 Muskelfaser +/- 0 %
- Gesamte Ausdauerleistung - 5-10 %
Der Formaufbau: Beispiel - Trainingspläne
I.Vorbereitungszyklus (Grundlage)
Woche 1
- Mo: Ruhetag (Krafttraining / Core-Training)
- Di: 1,5h GA1
- Mi: 2h GA1 mit 4 x 8s Sprints
- Do: 45min Aktive Regeneration/30-45min lockeres Crosstraining (& Krafttraining)
- Fr: Ruhetag (Yoga/Core-Training)
- Sa: 2h GA1 mit 1 x 10min GA2
- So: 2-3h GA mit 2 Serien 4 x 8s Sprints
Woche 2
- Mo: Ruhetag (Krafttraining/Core-Training)
- Di: 2h GA1 – 2 x 5min Trittfrequenzpyramiden
- Mi: 2h GA1 mit 5 x 10s Sprints
- Do: 1h Aktive Regeneration/30-45min lockeres Crosstraining (& Krafttraining)
- Fr: Ruhetag (Yoga/Core-Training)
- Sa: 2-3h GA1 mit HIT 4 x 30s/30s SB
- So: 3h GA1 mit 2 Serien 5 x 10s Sprints
Woche 3
- Mo: Ruhetag
- Di: 2h GA1 Nüchterntraining, 2 x 5min Trittfrequenzpyramiden
- Mi: 2h GA1 mit HIT 5 x 30s/30s SB
- Do: 1h Aktive Regeneration/30-45min lockeres Crosstraining
- Fr: Ruhetag (Yoga/Core-Training)
- Sa: 3h GA1 mit 2 x 10min GA2
- So: 3,5-4h GA1 mit 2 Serien 5 x 10s Sprints
Woche 4
- Mo: Ruhetag
- Di: 2h GA1 Nüchterntraining, 2 x 5min Trittfrequenzpyramiden
- Mi: 2h GA1 mit HIT 5 x 30s/30s SB
- Do: 1h Aktive Regeneration/30-45min lockeres Crosstraining (& Krafttraining)
- Fr: Ruhetag (Yoga/Core-Training)
- Sa: 3h GA1 mit HIT 2 x 15min GA2
- So: 3,5-4h GA1 mit 3 Serien 4 x 10s Sprints
II. Vorbereitungszyklus (Aufbau I)
Woche 5
- Mo: Ruhetag (Krafttraining/Core-Training)
- Di: 1,5h GA1 mit 2 x 10min SST (Sweetspot: 88-93% der IANS)
- Mi: 2h GA1 Nüchterntraining mit 2 Serien 4 x 12s Sprints
- Do: 1h Aktive Regeneration/30-45min lockeres Crosstraining (& Krafttraining)
- Fr: Ruhetag (Yoga/Core-Training)
- Sa: 2,5h GA1 mit 1 x 10min EB (95-100% IANS)
- So: 3-3,5h GA mit 2 Serien 5 x 12s Sprints
Woche 6
- Mo: Ruhetag (Krafttraining/Core-Training)
- Di: 2h GA1 mit 1 x 20min SST
- Mi: 1h Aktive Regeneration mit 2 x 5min Trittfrequenzpyramiden
- Do: 2h GA1/2 Nüchterntraining mit 2 x 15s Sprints
- Fr: Ruhetag (Core Training)
- Sa: 2-3h GA1 mit 4 x 5min EB
- So: 3,5-4h GA1 mit 2 Serien 6 x 8s Sprints
Woche 7
- Mo: Ruhetag (Krafttraining/Core-Training)
- Di: 2h GA1 mit 1x30min SST darin 8s Sprints alle 5min
- Mi: 1h Aktive Regeneration mit 2 x 5min Trittfrequenzpyramiden
- Do: 2h GA1/2 Nüchterntraining mit 2 x 15s Sprints
- Fr: Ruhetag (Core Training)
- Sa: 2,5-3h GA1 mit 2 x 10min EB
- So: 3,5-4h GA1 mit 2 Serien 5 x 10s Sprints
Woche 8
- Mo: Ruhetag
- Di: 1,5h GA1 Nüchterntraining, 2 x 5min Trittfrequenzpyramiden
- Mi: 1,5-2h GA1 mit HIT 5 x 30s/30s SB
- Do: 1h Aktive Regeneration/30-45min lockeres Crosstraining (& Krafttraining)
- Fr: Ruhetag (Yoga/Core-Training)
- Sa: 2h GA1 mit 5 x 3min EB (100-105% IANS)
- So: 3h GA1 mit 2 Serien 3 x 15s Sprints